Der Präsident der Internationalen Eishockey-Föderation (IIHF), Dr. René Fasel liess sich diese Woche in den Medien so zitieren, dass es keinen «sauberen» Check gegen den Kopf gebe.
Ich habe im vergangenen Jahr, nach dem exemplarischen Check gegen den Kopf von Roman Josi geschrieben: «Es ist doch ganz klar, dass man nicht gegen den Kopf des Gegenspielers checken darf».
Ausserdem habe ich damals darauf hingewiesen, dass dieser Fall geradezu danach schreit, ein Zeichen für den Schutz der Köpfe der Spieler zu setzen. Schliesslich stellt sich gemäss IIHF Regel 540 nur eine Frage: Ging der Check gegen den Kopf, oder nicht.
Wo sich dieser Kopf befindet und ob der gecheckte Spieler ein junges unerfahrenes Talent des SCB, oder ein alter, mit allen Wassern gewaschener Crack aus der NHL ist, spielt bei korrekter Regelanwendung so wenig eine Rolle, wie der Pöbel, der sich vor lauter Dummheit an solchen Szenen ergötzt.
Die Behauptung, das Problem der sich häufenden Gehirnerschütterungen sei ein Problem unserer «weichen Liga» und sei auf schlechte Ausbildung der Junioren zurückzuführen, ist blanker Hafenkäse. Das Problem ist nämlich auch in der NHL hochaktuell. «Das Problem existiert weltweit und ist eine Nebenerscheinung der strengen Regelanwendung», sagt Reto Bertolotti. Der Referee-in-Chief von Swiss Ice Hockey nimmt Bezug auf das 2005 eingeführte Gebot der «Null Toleranz», welches die konsequente Bestrafung der «weichen Fouls» wie Halten oder Haken nach sich zog – einhergehend mit einer Steigerung des Spieltempos. «Die Spieler sind kräftiger geworden. Zusammen mit dem schnelleren Tempo wurden die Checks gerade in der neutralen Zone härter», ergänzt SCB-Coach Larry Huras.
Reto Steinmann hat sich im Fall Heins - Josi damals anders entschieden. Statt sich mit richtungsweisenden und reglementskonformen Entscheiden zu Gunsten der Gesundheit der Spieler einzusetzen, kümmert sich unsere Verbandsjustiz lieber um tobende Spieler auf der Strafbank und Trainerpersönlichkeiten wie Chris Mc Sorley und begibt sich damit auf das Niveau von plärrenden Kleinkindern. Gerade der Verband war es doch, der grossspurig verkündete, man werde zukünftig jegliche Angriffe gegen den Kopf kompromisslos ahnden, wie es die IIHF Regel 540 ja eigentlich unzweideutig vorgeben würde. Dass diese Absichtserklärung von Reto Steinmann mit seinem Entscheid ad absurdum geführt wurde, sollte jetzt jedem klar sein.
Schiedsrichterchef Reto Bertolotti hat den Entscheid des Einzelrichters damals gestützt. Wohl in erster Linie darum, weil eine Krähe der anderen kein Auge aus pickt. Man rede von einem Check gegen den Kopf, «wenn der Erstkontakt rein gegen den Kopf sei, ohne irgendwelche andere Körperteile», argumentierte Bertolotti damals. Wie das anatomisch und biomechanisch zu bewerkstelligen wäre, hat er allerdings nicht erläutert. Man könne hier nicht von einem «reinen» Check gegen den Kopf sprechen. Er habe die Schiedsrichter bekräftigt, solche Szenen nicht zu bestrafen. Man sei oft dem Vorwurf des Publikums ausgesetzt, man pfeife saubere Checks ab. Das sei jetzt eben gerade das Beispiel, dass dem «nicht immer» so sei.
Dafür will man jetzt unseren Sport, der schon wegen der unsäglichen Nulltoleranzpfeiferei an Attraktivität eingebüsst hat, komplett zugrunde reglementieren. «Die Bande selbst könnte gepolstert werden», wird argumentiert. «Zumindest im oberen Bereich, wo die Scheibe nicht allzu oft hin prallt», schlägt ein Dr. Agosti vor. «Die untersten 20 Zentimeter könnte man ja so lassen wie bisher». Welchen Einfluss gepolsterte Banden auf den Weg und die Abprallgeschwindigkeit der Scheibe, und damit auf das ganze Spiel haben würden, hat der Herr Doktor freilich nicht erwähnt. Selbst von einem kompletten Verbot von Checks auf offenem Eis wird gesprochen. Reto Bertolotti erwähnt die Selbstverantwortung der Akteure: «Entscheidend ist, dass unnötige, taktisch unbegründete Checks eliminiert werden». Vermutlich wird sich Reto Steinmann also zukünftig vermehrt um Taktik kümmern müssen, um zu beurteilen, ob ein Check «taktisch nötig» war. Gleichzeitig wird man wohl auch die «Taktik der Einschüchterung» verbieten müssen. Oder noch besser: Man stellt jedem Trainer einen Juristen zur Seite, um die Mannschaft taktisch «richtig» einstellen zu können. Das Ganze selbstverständlich nur «zum Wohle der Attraktivität des Eishockeys».
Der Problematik rund um die IIHF-Regel Nummer 540 («Check gegen den Kopf und Nackenbereich») hat sich längst auch der Weltverband angenommen. Mit einer Videoeinspielung will die International Ice Hockey Föderation zurzeit auf ihrer Homepage die Spieler für die Thematik sensibilisieren. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Vancouver hat der Weltverband angekündigt, auf den Regelpassus Nummer 540 ein verstärktes Augenmerk zu richten – getreu den Worten des IIHF-Präsidenten René Fasel: «Einen sauberen Check gegen den Kopf gibt es nicht.»
Vielleicht sollte man sich, anstatt Herrscharen von Ärzten und Juristen zu konsultieren, wieder vermehrt auf das Eishockey und den gesunden Menschenverstand besinnen. Vielleicht käme man dann nämlich darauf, dass das Nulltolleranz- «auf dem Eis herum Gehühner» das Spiel weder anspruchsvoller, noch sicherer oder attraktiver gemacht hat.
Zurück auf Feld eins, würde ich meinen.