Es war ein wunderschöner Herbsttag, gestern in Thun. Ideal, um sich an der milden Sonne von den Strapazen der Arbeitswoche zu erholen und Medienstudium betreffend der «dümmsten Begebenheit» in der Trainerkarriere von Larry Huras zu betreiben
Eigentlich habe ich es ja relativ einfach, über diese Angelegenheit zu fabulieren. Schliesslich gehörte ich von Beginn weg der Fraktion der Larry Huras Kritiker an. Am 6. April 2009 wurde auf dem Pinboard des SCB ein Thread mit dem Titel «Der neue Trainer heisst...» eröffnet. Es ging um die Verpflichtung von Larry Huras.
Ich habe gar nicht gewusst dass ich mich zu jener Zeit derart geschmacklos geäussert habe. Aber meine Reaktion damals lautete schlicht und einfach: «Zum Grediusechotze, isch das.»
Später, um etwas Objektivität bemüht: «Wir werden sehen was die Zukunft bringt. Entweder erleben wir das nächste Jahr einen weiteren Trainerwechsel, dieses Mal mitten in der Saison, oder der SCB wird Meister und das Entlassungsszenario findet erst in der Saison 10/11 statt.»
Eigentlich nicht schlecht, meine Prognose. Der SCB ist tatsächlich im nächsten Jahr Meister geworden. Und dass statt dem Entlassungsszenario in der letzten Saison eine frühzeitige Vertragsverlängerung folgte, entspricht zwar nicht meiner Prognose, war aber im Nachhinein betrachtet ein Fehler. Mir ist natürlich bewusst, dass sich im Nachhinein immer jemand findet, der gewusst hätte, wie man es hätte tun sollen, damit es recht herausgekommen wäre. So gesehen ist die Schreiberei eine wunderbare Angelegenheit. Geschrieben ist geschrieben, was man beim Sagen nicht immer sagen kann.
Man stelle sich vor, es würde jedes Wort, welches gesprochen wird, aufgezeichnet und bei Gelegenheit wieder hervorgeholt. Es wäre plötzlich ganz still, weil sich niemand mehr zu Quatschen getrauen würde.
Herrlich waren die zahlreichen Userkommentare, welche man auf den verschiedenen Portalen zu Lesen bekommt. Auffällig dabei ist, dass die Schreiberlinge, welche bei der Verteilung des Denkapparates offensichtlich in die Blumenkohlkiste gegriffen haben, in den meisten Fällen einer bestimmten Region zugeordnet werden können. Es hat dort viel Nebel, was vielleicht als Entschuldigung gelten kann. Aber jedenfalls muss der SCB viel gut machen, wenn sich die Leute derart erhitzen.
«Ich denke, diese Entlassung ist eine Panikreaktion und eine der dümmsten Begebenheiten in meiner Karriere», sagte Larry Huras heute gegenüber dem Hockeypapst.
Andere sagen, dass sich der Golfplatzbaron Walter Born, seines Zeichen Verwaltungratspräsident der SCB Eishockey AG, beim Ausgleichstreffer des ZSC am Samstagabend an einem Lachsbrötchen überschluckte, was zur Folge hatte, dass man „ganz spontan“ beschloss, Larry Huras gewissermassen aus Gründen der Sicherheit sofort aus der PostfinanceArena zu entfernen, bevor es zu Erstickungsopfern kommt.
Persönlich glaube ich nicht an die Variante spontan. Eher an die Variante „Sorge um den konsumierenden Zuschauer“. Man braucht sich in dieser Hinsicht nichts vorzumachen, äs Bitzeli im Mittufäud umepöckne u hoffe, äs passieri de irgendeinisch äs Wunder, funktioniert in Bern auf Dauer nicht. Wir haben keinen Peter Jakob, der mal so locker 20 Stahlseilmillionen aufwirft, um einen verwahrlosten Stall wieder aufzubauen und mit edlem Vieh auszustatten.
«So ist halt Hockey in Bern», beschrieb Larry Huras die Gegebenheiten demnach folgerichtig.
«Ich bereitete die Mannschaft darauf vor, ab Januar stark zu sein und in den Playoffs die Bestform zu erreichen, so wie ich das in meinem ersten Jahr hier getan habe. Deshalb habe ich die Jungen eingesetzt. Natürlich spielten wir zuletzt nicht sehr gut. Aber die Jungen sollte man wohl nur in der ersten Saison eines Mehrjahresvertrages einsetzen und im letzten Vertragsjahr mit zwei Linien spielen.»
Nicht dass ich Larrys Aussagen jetzt auf die Goldwaage legen möchte. Er wird enttäuscht und verletzt sein und dürfte der Überzeugung sein, dass sein Saisonplan letztendlich aufgegangen wäre. Nur funktioniert es eben im dritten Jahr nicht automatisch gleich, „wie im ersten Jahr“. Im ersten Jahr wurde der SCB jeweils erst richtig stark, wenn er das Messer am Hals spürte. Damals war es jeweils der SCB, welcher im letzten Drittel die Spiele noch zu wenden vermochte. Im letzten, wie auch in diesem Jahr war es hingegen meist der Gegner.
Etwas sauer aufgestossen ist mir die Bemerkung mit den Jungen. Welche Jungen meint Larry? Christoph Bertschy, der mit erfrischendem und mutigem Spiel als Liganeuling in den letzten Spielen gleich mehrere Torchancen kreierte? Oder meint er Joel Vermin, welcher bis zum Spiel in Genf die Linie mit Ritchie und Berger veredelte? Die Linie, welche richtig Freude machte und jetzt mit Thomas Déruns ebenfalls in die langweilige Mittelmässigkeit abschiffte?
Larry Huras hat vieles richtig gemacht. Es ist ihm gelungen, eine vorher als untrainierbar verschriene Mannschaft soweit auf Kurs zu bringen, dass man sich dauernd in den vorderen Plätzen halten konnte und niemals Gefahr bestand, dass man „abschifft“. Ebenfalls lobenswert ist seine Arbeit mit den jungen Spielern. Er hat den Rohdiamanten Roman Josi durch kluges Coaching als Schlüsselspieler zum Meistertitel 2010 verwendet, Pascal Berger reifte unter seiner Regie zum Stammspieler mit rosigen Zukunftsaussichten und auch Joel Vermin durfte in den letzten Playoffs an der Seite von Rüthemann und Plüss stürmen. Erfolgreich, hat Vermin doch einige wichtige Tore geschossen.
Larry Huras sollte andere Dinge seiner Arbeit hinterfragen, als den Einsatz von hochtalentierten Jungspielern. Larry ist ein hervorragender Trainer. Zumindest wenn es darum geht, eine Mannschaft in der Krise zu übernehmen und auf die Erfolgsstrasse zu führen. Einmal oben angekommen ist es aber so, dass man es eben nicht mehr machen kann, «wie vor zwei Jahren.»
Aber Schwamm darüber. Eigentlich ist mir Larry Huras während seiner Zeit beim SCB richtig sympathisch geworden. Vorher hielt ich ihn für einen Schwätzer und Schaumschläger. Jetzt für einen aufgestellten, fröhlichen und symphytischen Zeitgenossen, dem ich für seine weitere Zukunft nur das Allerbeste wünsche.
Unterdessen hat in Lugano Barry Smith entnervt seinen Rücktritt als Headcoach bekanntgegeben. Es wird jetzt gemunkelt, dass dieser nach Bern wechseln könnte. Aus Bern waren gestern aber andere Töne zu vernehmen. Dieser Smith soll meinetwegen ins Pfefferland, aber das wird niemanden interessieren. Hütet euch vor Morgarten. Mit Serge Pelletier könnte ich leben, aber diesen Smith möchte ich lieber nicht haben in Bern.
Jetzt will man also Antti Törmänen und Lars Leuenberger eine Chance geben. Slava Bykov falle ausser Traktanden, weil er nur französisch und russisch spreche.
Schade, ich hätte Slava Bykov die Chance gegeben, nebst der Landessprache Französisch auch noch Deutsch zu lernen. Wer hinter dem eisernen Vorhang unter dem besten Trainer der Welt, Wiktor Wassiljewitsch Tichonow bei ZSKA Moskau Eishockey spielte, musste nämlich nicht nur ein Wunderkind im Eishockey sein, sondern daneben auch noch hochintelligent.
Slava Bykov wäre in vielerlei Hinsicht weltbester seines Faches. Nicht in einer, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, stupiden Egoholzfällertruppe gross geworden, sondern in einem Umfeld, in dem Eishockey wie Schach zelebriert wurde. Von der Taktik her nicht geprägt von den Spielfeldern Nordamerikas, sondern seit Kindesbeinen auf den europäischen Eisfeldern. Als Welt- und Olympiasieger sowohl als Spieler, wie auch als Trainer geachtet. Ein wahrer Magnet, für sämtliche Spieler. Ausserdem kennt er die Schweiz und das Schweizer Eishockey besser als jeder andere.
Ob es funktionieren würde? Man weiss es nicht. Jede Variante hat wie alles im Leben seine Vor- und Nachteile. Es ist ein Abwägen von Risiken und Chancen. Sprache gegen das selten erfolgreiche „den Vize zum Chef machen“.
Item, machen wir halt den Vize zum Chef.
Der Finne Antti Törmänen begann seine Karriere als Eishockeyspieler in seiner Heimatstadt bei den Espoo Blues, für deren Profimannschaft er von 1988 bis 1990 in der zweitklassigen I divisioona aktiv war. Anschliessend wechselte er zu Jokerit Helsinki, für die er die folgenden fünf Jahre in der SM-liiga spielte. In dieser Zeit gewann der Stürmer 1992 und 1994 jeweils den Finnischen Meistertitel und wurde 1995 mit seiner Mannschaft Vizemeister. Zudem gewann der Linksschütze in der Saison 1994/95 mit Jokerit Helsinki den Europapokal der Landesmeister.
In dieser Zeit wurde Törmänen im NHL Entry Draft 1994 in der elften Runde als insgesamt 274. Spieler von den Ottawa Senators gedraftet, für die er in der Saison 1995/96 sein Debüt in der National Hockey League gab. In dem einzigen NHL-Jahr seiner Laufbahn erzielte der Finne in 50 Spielen insgesamt 15 Skorerpunkte, darunter sieben Tore. Ausserdem stand er in 27 Spielen für Ottawas Farmteam aus der AHL, den Prince Edward Island Senators, auf dem Eis.
Nach seinem einjährigen Gastspiel in Nordamerika kehrte Törmänen zu Jokerit zurück, mit denen er 1997 erneut Meister wurde. In der folgenden Spielzeit scheiterte er mit seinem Team als Dritter nur knapp an der Titelverteidigung. Daraufhin unterschrieb er erstmals im europäischen Ausland, wo der ehemalige NHL-Spieler von 1998 bis 2000 für HV 71 Jönköping in der schwedischen Elitserien auflief. Es folgten erneut zwei Jahre bei Jokerit, wobei der Olympiateilnehmer von 1998 mit den Hauptstädtern 2002 zum vierten Mal Meister wurde. Seine Karriere beendete Törmänen, der 1995 beim bis 2011 einzigen WM-Titel seines Landes auf dem Eis stand, 2004 beim schwedischen Erstligisten Södertälje SK.
In der Saison 2007/08 war der Finne als Cheftrainer der U20-Mannschaft von Espoo Blues tätig. Zwei Saisons später war Törmänen als Assistenztrainer bei Jokerit in der SM-liiga aktiv. Während der Spielzeit 2010/11 stand er beim finnischen Zweitligisten Vaasan Sport als Cheftrainer hinter der Bande und gewann mit diesem die Meisterschaft der Mestis. Weiter war er dort als Director of Hockey Operations tätig.
Antti Törmänen wurde am 19. September 1970 im Finnischen Espoo geboren, ist also 41 Jahre alt. Ich habe mir erlaubt, mich für Anttis Lebenslauf weitgehend Wikipedia zu bedienen.
Törmänen werden ein hervorragendes Fachwissen und sehr gute Perspektiven für eine zukünftige Trainerkarriere nachgesagt. Ob er trotz seiner doch eher geringen Erfahrungen als Trainer schon soweit ist, vor der grössten Zuschauerkulisse Europas und unter dem speziellen Druck in Bern zu bestehen, werden wir sehen. Für ihn bestimmt eine grosse und unverhoffte Chance, mit einem Team wie dem SCB als Headcoach arbeiten zu dürfen.
Über Lars Leuenberger brauche ich nichts zu schreiben. Er leistet als Cheftrainer bei den Elite Junioren hervorragende Arbeit und ist bestrebt, Perlen wie Joel Vermin hervorzubringen. Das verdammte Leuenberger Bashing geht mir übrigens ganz gewaltig auf den Keks. Wenn es beim SCB ein Nachteil sein soll, den Namen Leuenberger zu tragen, dann haben wir es wahrlich sehr weit gebracht mit unserer „Fankultur“!
Geben wir den beiden eine Chance. Es kann ja eigentlich nur besser werden, so gesehen können wir nicht sehr viel verlieren. Ein Feuerwehrmann, deren gibt es viele, wäre im Notfall schnell verpflichtet.
Es wäre allerdings von Vorteil, wenn man mit dem Trainer weitermachen könnte, den man auch nächste Saison an der Bande haben möchte. Schon nur der anstehenden Transfers wegen.
Für den Fall, dass ich mich in zwei Jahren wieder selber zitiere, möchte ich es aber nicht unterlassen gesagt zu haben, dass ich in diesem Falle, wenn es irgendwie zu bewerkstelligen wäre, wohl das Risiko der Sprache dem Risiko des unerfahrenen Assistenten vorziehen würde.
Man stelle sich vor, Vladimir Putin würde auf seiner Werbetournee für die olympischen Spiele 2014 in Sotschi seinen Olympiasieger in der PostfinanceArena besuchen kommen oder es würden statt ausgeleierte Stars von gestern junge russische Talente den Weg nach Bern finden...
Это было бы так здорово!