Obwohl mir der erforderliche Background für das Kommentieren
des Schwingsportes eigentlich abgeht, gibt es im gesellschaftlichen Bereich
Schnittstellen. Zum Beispiel dass die Hockeyspieler, ähnlich wie die Schwinger,
durchaus geerdete Typen sind, was man von den Fans, mit den bekannten Folgen,
leider nicht immer sagen kann.
Das definitive Scheitern des SCB in der Trophy habe ich nicht
wirklich ernsthaft verfolgt. Trotzdem habe ich mich natürlich bei Leuten, die
sich bereits im Eishockeyfieber befinden, informiert, was in Bern gelaufen ist.
Von ausgefallenem Videölizeugs war die Rede und dass die Spiele nicht besonders
gewesen seien. Vorbereitungsgekraue halt, habe ich gedacht.
Ich werde nächsten Samstag gegen die Richtersöhne zaghaft
versuchen, dem Eishockeyfieber zu verfallen. Weil sich aber Waldorf und
anscheinend auch Statler angemeldet haben und die beiden schon früh zur Tränke
wollen, rechne ich nicht damit, viel vom Spiel zu sehen. Da es aber um nichts
mehr gehen wird, weil der SCB gemäss Sven Leuenberger «noch nicht bereit ist zu
leiden», spielt das keine grosse Rolle. Alleine die Freude am Augenblick des
Seins wird zählen. Für mich findet, wie eigentlich jedes Jahr, der eigentliche
Saisonstart sowieso erst nach einem Herbsttöfftürli durch die französischen
Alpen statt. Mir bleibt also noch etwas Zeit, um auf Temperatur zu kommen.
«Noch nicht bereit zu leiden» ist einerseits eine durchaus
ehrliche Einschätzung, die das umschreibt, was ich befürchte: Meisterblues.
Andererseits habe ich neulich geschrieben, dass ich hoffe, dass unserem SCB in
den Spielen gegen starke ausländische Teams die Grenzen aufgezeigt werden. Das
ist jetzt passiert und ich denke und hoffe, dass die Mannschaft die Lehren
daraus ziehen wird. Die Erwartungen werden diese Saison hoch sein, ein
passabler Saisonstart würde die Aufgabe etwas entspannen.
Schon fast Normalität, wenn auch nicht selbstverständlich,
sind die positiven Zahlen, welche die SCB Eishockey AG den Aktionären an der
Generalversammlung vom vergangenen Montag präsentieren konnte. Die
Jahresrechnung wies einen Gewinn von 32'753 Franken, bei getätigten Abschreibungen
von 438'000 Franken aus. Der Umsatz wuchs im Vergleich zum Vorjahr wegen des
Lockout um rund eine Million Franken.
Als «sportlich herausragend und wirtschaftlich gut»
bezeichnete Verwaltungsratspräsident Walter Born die vergangene Meistersaison.
Das Eigenkapital beträgt mehr als 3,2 Millionen Franken, wobei die Mannschaft in
der Bilanz mit null Franken aktiviert ist. Der SCB ist also mehr als kerngesund,
wofür man Marc Lüthi nicht genug danken kann.
Ich habe den ganzen letzten Samstag vor dem TV verbracht, um
meinen Besuch als Modefan in der Schwinger Arena am Sonntag vorzubereiten. Ich
muss gestehen, dass ich das Schwingen früher als Tölpel Sport für
peifenrauchende Ewiggestrige angeschaut habe. Heute muss ich jedoch sagen, dass
ich von der Dynamik dieses Sportes und vom ausgeprägten Fairplay dieser Szene
begeistert und beeindruckt bin. Die Szenen nach dem Schlussgang sprechen in
dieser Hinsicht Bände, wobei man den Geist das Fairplay eigentlich in allen
Kämpfen beobachten konnte. Selbst in Momenten grösster Enttäuschung und
grandiosem Triumph kam der Respekt vor dem Gegner an erster Stelle, egal ob
Sieger oder Verlierer und trotz höchstem emotionalem Level. Man stelle sich
vor: Ein Kampf Mann gegen Mann in einer Arena mit über 50‘000 Zuschauern. Da
ist man von Emotionen geflutet, wie unsere Spieler im Playoff Final, oder gar noch
mehr.
Wenn ich mich unter diesem Eindruck an die Richterspiele und
das Instrumentalisieren der Medien und der Volksmeinung in den letzten Playoffs
erinnere, kommt mir noch immer die Galle hoch. Mit Sport, ich muss das leider
so sagen, hatte das aus meiner Sicht nicht mehr viel zu tun. Obwohl dieser
Titel, so wie er aus Sicht des SCB zustande gekommen ist, bestimmt einer der
grandiosesten der Clubgeschichte war, bleibt für mich ein fahler Nachgeschmack.
Wenn Titeljägerei mit allen Mitteln vor der Freude an einem an sich genialen
Saisonfinale kommt, hat das nichts mehr mit einem Spiel zu tun. Ich war
jedenfalls froh, als die Saison und damit das Richterligestürm vorbei war. Das
hat es vorher noch nie gegeben.
In dieser Hinsicht habe ich an diesem Schwingfest viel
gelernt. Trotz ebenfalls grösstem Druck stand bei den Gladiatoren das Fest
immer vor den persönlichen Interessen und auch die Regeln sind so aufgebaut,
dass das Fest im Zentrum steht. Auf die Frage, ob der Entscheid des
Einteilungsgerichts vertretbar war, ausschwingen zu lassen, obwohl Matthias
Sempach mit 1,5 Punkten Vorsprung eigentlich uneinholbar in Führung lag,
antwortete dieser: «Ja, man musste ausschwingen. Solange die Möglichkeit
besteht, dass vor dem Schlussgang mehr als ein Schwinger auch König werden
kann, muss man diese nutzen. Das war für mich kein Problem.»
Herzliche Gratulation, König Matthias Sempach. Ich habe zwar
für Christian Stucki gefant, aber Sempach ist der richtige Sieger, der wahre
König der Schweiz. Schade, konnte Kilian Wenger im «Meisterblues» sein Niveau
nicht ausspielen, was ich allerdings irgendwie erwartet habe. Wenger Kilian,
zusammen mit Sempach Matthias ein ästhetischer Schönschwinger, wirkte irgendwie
gehemmt, ja fast ängstlich. Währendem Matthias Sempach wie eine gespannte Feder
mit dem Auge des Tigers in die Arena schritt, vermittelte Wenger den Eindruck,
Angst vor der Niederlage zu haben.
Die Schwingfans mögen mir meine Modefananalysen verzeihen,
aber wenn sich Klaus Zaugg schon als Schwingspezialist in Szene setzt, versuche
ich das auch einmal, wobei ich vielleicht besser, wie schon letztes Jahr,
wieder über Tom Lüthi und Marc Márquez schreiben würde. Die Lüthi Fans würden
mich allerdings hassen. Wie bei Sempach und Wenger sieht es immer wunderbar aus
wenn Tom Lüthi Motorrad fährt. Nur fährt Lüthi Tom Lüthi eben immer so, wie Wenger
Kilian Wenger in Burgdorf geschwungen hat. Dass es Kilian Wenger eigentlich
besser könnte, wissen wir. Bei Tom Lüthi bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Das letzte Quäntchen Aggressivität fehlt einfach. Dä Langnouerlet. Und da die
Gegner das unterdessen wissen, ist für Lüthi in den Schlussrunden jeweils
nichts mehr zu holen.
Ich habe im letzten Blog angetönt, dass ich das
Sicherheitskonzept dieses Schwingfestes unter die Lupe nehmen will. Diese
Geschichte ist aber mit einem Satz erzählt: Das eigentliche Sicherheitskonzept
bestand in erster Linie aus der Selbstdisziplin und dem gesunden
Menschenverstand der über 200'000 Zuschauer. Das begann mit der Anreise im Zug,
die fröhlich, aber ohne Terrorisierung der unbeteiligten Fahrgäste
vonstattenging, setzte sich fort mit dem disziplinierten Verhalten am für diese
Massen eigentlich viel zu kleinen Bahnhof Burgdorf und ging weiter mit dem Fanmarsch
durch die Wohnquartiere. Ohne Polizei, wohlgemerkt. Und um auf die gewaltige Tribüne
zu gelangen reichte es, einem freundlich grüssenden Helfer aus Distanz das
Ticket zu zeigen.
Verbotsschilder? Fehlanzeige! Rucksäcke durchsuchen?
Fehlanzeige! Messer, Glasflaschen, sperrige Gegenstände, einfach alles was der
normale freie Bürger so auf sich tragen kann, fanden den Weg in diese
eindrückliche Arena. Der Alkohol, das kann man sich ja vorstellen, floss zwar in
rauen Mengen. Mehr, als die schwarzgekleideten Früchtchen auf den Fußball
Tribünen ertragen würden. Und zwar keine fade Becherbrühe, sondern edelster
Gerstensaft aus stilvollen Bügelflaschen aus Glas. Einfach wunderbar und ganz ohne
Aggressionen, währendem man den Fans der «arrivierten Sportarten» die
billig-fade Becherbrühe über kurz oder lang aus «Sicherheitsgründen» verbieten
wird. Vielleicht wird man dann feststellen, dass die kranken Köpfe, nicht der Gerstensaft
für unterirdisches Verhalten verantwortlich sind.
Währendem es für ein simples Fussball- oder Hockeyspielchen,
ohne dass es um viel gehen würde, wegen einem paar Dutzend kranker Gestalten
ein Dispositiv braucht, wie wir es im TV in den Volksaufständen in Nordafrika
beobachten konnten, managte ein Heer von fröhlichen Freiwilligen in Burgdorf
problemlos eine viertel Million Menschen. Irgendwie unglaublich!
Polizisten? Die ersten die ich gesehen habe, habe ich
fotografiert. Entweder sassen sie hoch zu Ross, oder trugen der Witterung
entsprechend kurze Hosen. Keine vergitterten Panzer, keine Kampfmontur, keine
Schlagstöcke, keine Bürgerkriegsstimmung. Nur Freund und Helfer, wie es sich
für ein freiheitsliebendes Land wie die Schweiz eigentlich gehören würde. Bundespräsident
Maurer hat es in seiner Ansprache richtig gesagt, «wir werden uns schon selber
helfen.»
Wenn man sich, bevor man Rechte einfordert, zuerst einmal
mit den Pflichten befassen würde, die man als Beitrag für die eingeforderte
Freiheit zu erfüllen hätte, bräuchte man nicht über diese Rechte nicht zu
sprechen. Sie sind in unserem Land so selbstverständlich wie die Pflichten.
Oder besser gesagt, sie wären...
Leben und leben lassen, die eigene Freiheit endet ganz selbstverständlich dort, wie die des anderen beginnt. An sich könnten wir das freiste Volk der Welt sein, wenn wir nur wollten.
Leben und leben lassen, die eigene Freiheit endet ganz selbstverständlich dort, wie die des anderen beginnt. An sich könnten wir das freiste Volk der Welt sein, wenn wir nur wollten.
Ich weiss, das ist langweilig und furchtbar altmodisch. Züge
demolieren, ganze Bahnhöfe stilllegen, Menschen in Einkaufsstrassen
verängstigen und terrorisieren und den eigenen Club zwingen, Millionen für
hochauflösende Überwachungskameras und eine veritable Hausarmee zu investieren
ist da schon viel cooler. Dann kann man wieder so wunderbar grännen über die
lückenlose Überwachung, die böse Polizei und die intolerante Gesellschaft. Eine
Gesellschaft, die letztendlich wir selber sind.
Wir selber, oder besser gesagt unsere hochgelobte
intelligente urbane Gesellschaft ist leider daran, mit Neid, Missgunst, egoistischem
Sauglattismus und grenzenloser Blödheit alles zu zerstören, wofür uns andere
beneiden.
Item, so ein Schwingfest ist lehrreich, weil es so vieles
beinhaltet, was uns teuer ist. Auch das, was die Fanorganisationen mit ihrem
Referendum gegen das Hooligan-Konkordat einfordern, wird auf dem Schwingfest
gelebt. Gelebt, nicht gefordert!
Die Organisation in Burgdorf, ich darf das so sagen, war
tadellos. Obwohl ich gerne etwas motzen würde, fällt mir nichts ein, was man
aus Sicht der Besucher besser hätte machen können. Die Anreise mit dem Zug
funktionierte tadellos, Speis, Trank, Verpflegung und Sanität waren perfekt
organisiert. Vielleicht hätte man bei den Screens etwas weniger sparen sollen,
aber ansonsten absolut top. Die Stimmung war vergleichbar mit einem grossen
Volksfest, ähnlich wie seinerzeit an der Expo 02. Einfach wunderbar.
So, fertig für heute. Eigentlich wollte ich noch eine
Saisonprognose anhängen. Aber da es schon finster geworden ist am schönen
Thunersee und weil ich zweifle, dass ich heute, oder überhaupt, in der Lage
bin, meine letztjährige Prognose in Sachen Genauigkeit zu überbieten, vertage
ober "verwochne" ich diese knifflige Aufgabe noch einmal. Es bleibt
ja noch etwas Zeit.
Geil geschrieben, Duc! - Genau was ich als Helfer erlebt habe. Das ging sogar so weit, dass uns, als wir beim Abladen grad etwas wenig helfende Hände hatten, einige Besucher rasch ausgeholfen haben. Erhlich: Was ich da erlebt habe, das hat mir die Augen geöffnet und mir gezeigt, was eigentlich in diesem schönen Land alles möglich wäre. - So kamen halt an die 50'000 Sackhegle in der Arena zusammen. Und das einzige Problem mit diesen bestand darin, dass der eine oder andere beim aus der Tasche ziehen aus der Hand und so von der Tribühne fiel. Das Problem ist augenscheinlich: Womit schneidet man ohne Sackhegu den Speck, die Wurst oder das Brot?? Dank der Sitznachbaren war aber auch das sehr rasch gelöst. - Und natürlich hast Du recht: Die Fangruppen aus Fussball und Eishickey fordern stets, leben aber nicht vor. Vor noch nicht soooo langer Zeit wurden Querschläger gemassregelt. Dies nicht von der Polizei oder der Hausarmee. Sondern von den anderen Matchbesuchern. Weil man aber heutzutage, wenn man das Maul aufmacht, sofort von Gruppen von Querulanten umzingelt und halbtot geschlagen wird, regelt sich das nicht mehr von selbst. - Quo vadi, confoederatio helvetica??? - GO-4-IT
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