Eigentlich ist es fast unglaublich, aber mir fehlt zurzeit
der Stoff zum Motzen. Gegen Ambri hat man zwar einen schwarzen Abend
eingezogen, aber trotzdem gewonnen. Daneben ist aber beim SCB, bis auf die
dünne Verteidigerdecke, alles in bester Ordnung.
Es ist ja an sich schon unglaublich, was uns der SCB dieses
Jahr alles bietet. Man begann die Saison mit einer Mannschaft, die durchaus
Finalträume zuliess, verstärkte diese mit den Lockoutbernern Roman Josi und
Mark Streit und wie wenn das noch nicht genug gewesen wäre, holte man mit John
Tavares noch einen absoluten Bombenstürmer für die Galerie.
Die anfänglichen Probleme wie die neue Rollenverteilung, das
Überangebot an Verteidigern und das Entwickeln einer neuen Teamhierarchie wurde
von unserer sportlichen Abteilung mit dem jungen Trainer Antti Törmänen mit
Bravour gelöst. Der SCB wusste nach einigen Startschwierigkeiten zu gefallen
und bot dem Publikum in den gewöhnlich doch eher zähflüssigen Spätherbst- und
Wintermonaten beste Unterhaltung auf dem Eis.
Dass sich die Lockoutspieler in Bern in jeder Hinsicht
absolut vorbildlich verhielten, muss an dieser Stelle auch noch einmal erwähnt
werden. Dass zum Beispiel John Tavares wenige Stunden vor der Abreise noch an
einer Autogrammstunde anzutreffen war, oder dass Mark Streit anlässlich der
Aktion «Zweite Weihnacht» Päcklis sortierte, verdient allergrössten Respekt.
Schon fast unheimlich war die Reaktion des SCB auf den
Abgang der Lockoutstars. Die ganze Hockeyschweiz hoffte nichts weniger, als
dass der arrogante Bonzenklub aus der Bundeshauptstadt abstürzt und was macht
der SCB? Er fegte den starken Leader aus Fribourg mit einer der besten
Saisonleistungen auswärts gleich mit 0:6 vom Eis.
Auch die missliche Lage in der Verteidigung löste man mit
einer Performanceleistung des ganzen Teams mit Bravour und man ermöglichte
Marco Bührer gar einen Fabelrekord mit 269 Minuten und 9 Sekunden ohne
Gegentor. Eigentlich unglaublich, wenn man die Gesamtsituation berücksichtigt.
Aber nicht nur auf dem Eis wurde hervorragend gearbeitet. Auch
die Ausländerproblematik nach dem Abgang von Niklas Danielsson und John Tavares
wurde von Sven Leuenberger optimal gelöst. Bessere Ausländer als Jaroslav
Bednar und Petr Sykora hätte man nach dem Lockoutende kaum verpflichten können.
Man darf in dieser Hinsicht jetzt mit aller Zuversicht auf die Playoffs blicken
und hat darüber hinaus mögliche Optionen für nächste Saison, die man jetzt
unter idealsten Bedingungen „testen“ kann.
Was mir noch etwas Sorgen bereitet, ist die Breite unserer
Verteidigung. Die langen Pausen infolge Hirnerschütterungen von Andreas Hänni
und Philippe Furrer sind nicht ohne und ich würde es aus diesem Grund gern
sehen, wenn man noch einen B-Lizenzler verpflichten würde. Vielleicht liesse
sich auch mit Justin Krüger, der mit einer Rückkehr in die Schweiz liebäugle,
etwas machen.
Ein grosses Lob geht an unseren Trainer Antti Törmänen.
Unglaublich wie er im Fadenkreuz der Medien die Ruhe bewahrt und wie es ihm immer
wieder gelingt, den vor noch nicht allzu langer Zeit als untrainierbar verschrienen
SCB in immer neuen schwierigen Situationen optimal einzustellen. Wir haben die
beste Abwehr der Liga, haben am zweitmeisten Tore geschossen, haben eines der
besten Powerplays und ein sehr gutes Boxplay und es herrscht Ruhe rund um die
Mannschaft.
Was man in den Playoffs aus den genannten positiven Punkten
macht, steht zwar noch in den Sternen. Aber Antti Törmänen hat es bereits im
schwierigen letzten Jahr geschafft, die Mannschaft zu stabilisieren und im
richtigen Moment auf Kurs zu bringen. Wenn man die Höhen und Tiefen in dieser
Saison betrachtet, spricht eigentlich nichts dagegen, dass das auch dieses Jahr
gelingt.
Ich habe die Risikostrategie mit dem unerfahrenen Antti
Törmänen stets kritisch, aber jederzeit wohlwollend kommentiert. Dass es
ausgerechnet beim SCB gelingen würde, mit einem Trainergreenhorn Erfolg zu
haben, schien mir zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Und da mich das
Unkonventionelle schon immer faszinierte, fand ich das Experiment Törmänen und
wie man die Angelegenheit vertraglich löste, spannend und richtig.
Mir scheint, die Zeiten des abwartenden Zweifelns sollten
jetzt vorbei sein. Antti hat bewiesen, dass er der Aufgabe zu 100% gewachsen
ist und dass er das uneingeschränkte Vertrauen der Organisation und des
Umfeldes verdient.
Ich hoffe demnach, dass man seinen Vertrag in den nächsten
Tagen ohne Wenn und Aber um zwei Jahre verlängert. Vielleicht mit einer
Klausel, die ihm Warm up-Fussballtrainings vor den Spielen verbietet. Antti
Törmänen wurde ja nach seiner in Ambri zugezogenen Verletzung im Inselspital am
Meniskus operiert, wird aber am Samstag wieder an der Bande stehen.
Ebenfalls zwei Jahre verlängern sollte man meines Erachtens
mit Verteidiger Geoff Kinrade. Einen solch zuverlässigen Verteidiger sollte man
ohne Not zu keinem anderen Verein wechseln lassen. Einen besseren zu finden,
dürfte nämlich nur schwer möglich sein.
Für die letzten drei Spiele gegen Lugano, Genf und Ambri
habe ich fünf Punkte gefordert. Dass man mit Siegen gegen Genf und Ambri sogar
deren sechs geholt hat, hat mich sehr gefreut. Dabei hat man gegen Lugano zwar
60 Minuten dominiert, hat aber infolge von Eigenfehlern und schlechter
Effizienz trotzdem verloren. Larry Huras lässt grüssen. Aber es wäre ja nicht
normal, wenn sich der Ausfall von Byron Ritchie nicht bemerkbar machen würde.
Gegen Genf hat man trotz einem kurzen, aber üblen
Durchhänger, der durchaus ins Auge hätte gehen können, ein gutes und
unterhaltsames Spiel gezeigt. Dass man in Ambri einen schwachen Auftritt hatte,
ist mir insofern egal, weil ich an diesem Abend sowieso beim Schlitteln war und
vom Spiel ausser dem Tor Alarm des iPhönlis nichts mitgekriegt habe. Man war
vermutlich wieder einmal etwas zu siegessicher und hatte zusätzlich noch das
Handicap, dass man am Vorabend ein intensives Spiel hatte und dass einige
Spieler grippegeschwächt antraten.
Jetzt folgen vor der Natipause noch die Spiele gegen Lugano
(a) und Rapperswil (h). Es wird interessant sein, wie Antti Törmänen das jetzt
wieder aktuelle „Ausländerproblem“ löst. Solange wir in der Verteidigung noch
Ausfälle haben, wird man wohl mit zwei Ausländern in der Verteidigung spielen müssen. Sykora hat
in dieser Saison noch keinen Ernstkampf bestritten. Um in Form zu kommen,
braucht er demnach Spiele. Einer wird bänkeln müssen, ohne dass sich einer dafür aufdrängen würde. Ein gewisses Unruhepotential dürfte also vorhanden
sein.
Wenn ich das Restprogramm des SCB anschaue, ist der zweite
Tabellenplatz nach der Qualifikation realistisch, der erste möglich. Will man
in der ersten Playoffrunde nicht auf den HCD oder Genf treffen, wird man die
Qualifikation gewinnen müssen. Persönlich wären mir die Kloten Flyers als
Viertelfinalgegner lieber.
Deshalb lieber SCB: 6 Punkte gegen Lugano und Rappi!