Eigentlich sollte man ja jetzt die Kirche im Dorf lassen und die üblichen seichten Beschönigungsphrasen von sich geben. Schliesslich hat man nur das erste Auswärtsspiel verloren und der Gegner konnte in seinem Stadion trotz dem 8:2-Triuph lediglich die Serie ausgleichen. Folgedessen geht die Halbfinalserie am Samstag nach der Formel Best-of-Five weiter und wir haben ja immer noch den Heimvorteil.
Trotzdem habe ich Mühe, diese Schlappe jetzt
einfach als Betriebsunfall abzutun, mit dem man gewissermassen rechnen musste. 8:2
in einem Halbfinale ist brüsk, zumal 2 Spiele gespielt sind, in denen der SCB
von einer Halbfinal Performance in etwa gleich weit weg war, wie Steffi Buchli
von der Wahl zur Miss Universum. Ich habe schon einige Playoffspiele des SCB
gesehen, kann mich aber spontan an keine grössere Schlappe erinnern.
Wollte man die Redensart des Papstes
verwenden, man müsste man demnach von der Mutter aller Playoffschlappen reden!
Der SCB verfügt zwar über reichlich Breite,
aber die Tiefe scheint momentan mit zu viel Holz gesegnet. NL B Spieler bleiben
am Ende des Tages eben NL B Spieler und Junioren bleiben Junioren. Die Balance
des SCB hängt so an einigen Schlüsselspielern und somit an einem dünnen Faden. Byron
Ritchie musste man gestern mit der Lupe suchen und Martin Plüss, der den Karren
am Dienstag noch aus dem Dreck zu ziehen vermochte, war zusammen mit Ivo
Rüthemann massgeblich beteiligt, an einigen defensiven Unzulänglichkeiten.
Ich vermisse einen zweiten ausländischen
Stürmer, der Akzente setzten kann und ich vermisse in Anbetracht unseres
defensiven Hühnerhaufens David Jobin und Andreas Hänni schmerzlich.
Trotzdem lässt sich der Auftritt des SCB nur
mit einer Serie von «hätti, wetti, würdi u täti» schönreden. Hätte man den
guten Auftakt zur Führung genutzt, oder wäre nicht jedes Schüsschen der Zuger
im Berner Tor gelandet, oder hätte man nach den schnellen zwei Toren im Schlussdrittel
keine geistige Umnachtung erlitten oder hätte man nach dem 2:0 ein Timeout
genommen oder hätte Ryan Gardner mittun können und so weiter.
Es ist aber purer Selbstbetrug, einen Gegner,
der wie ein Zunami über einem hinweggefegt ist, Klasse und Potential
abzusprechen. Fakt ist, dass Zug schlauer, effizienter, schneller, stabiler und
selbstsicherer agierten. Die Zuger haben nach 15 min 3:0 und nach zwei Dritteln
4:0 geführt und das Spiel letztendlich mit 8:2 gewonnen. Was gewesen wäre wenn,
ist Kaffesatzlesen und nicht relevant.
Die Zuger werden nämlich sagen, sie hätten
damit gerechnet, dass der SCB in die Partie starten würde wie von der Tarantel
gestochen und sie hätten sich daher vorgenommen, die Startminuten ohne Gegentor
zu überstehen um dann zuschlagen zu können.
Gewiss, die Berner bemühten sich in den
Startminuten sichtlich, das Spielgeschehen an sich zu reissen. Man erarbeitete
sich dann auch einige Abschlussgelegenheiten und bekam in der 3. Minute gar
einen Strafstoss zugesprochen, den Tristan Scherwey aber nicht verwerten
konnte.
Damit waren das Startstrohfeuer und damit der
angeblich gute Start aber auch schon wieder erloschen und man verlor in der
Folge jegliche Ordnung und Balance. Was folgte, kann man nur mit Überrumpelung umschreiben.
Es dauerte nämlich nach dem verschossenen Penalty nur gerade gut 10 min, bis
der SCB vorentscheidend mit drei Toren im Rückstand war. Ein guter Start sieht
weiss Gott anders aus.
Im zweiten Drittel hechelte man zwar brav der
Scheibe hinterher und kam sogar noch zu einer brotlosen Druckphase. Da man aber
generell im zu zahmen Streichelzoomodus agierte, musste man in der 35. Minute
nach einem blitzsauberen Konter gar noch das 4:0 hinnehmen.
Einmal mehr war man vor den Toren zu wenig
präsent und im Abschluss zu zögerlich. Die Plattitüde, dass man der Scheibe
eine Chance geben soll, ins Tor zu gehen, müsste in der SCB Garderobe gross an
die Wand geschrieben werden!
Im letzten Drittel fand man zwar noch einmal
etwas Stroh, um ein weiteres temporäres Raketenfeuerwerklein zu zünden. Nachdem
man bis zur 44. Minute nach zwei schnellen Toren tatsächlich noch einmal auf 4:2
herankam, nahm man sich mit dummen Strafen und unerklärlichen gedanklichen
Blackouts die Chance auf eine wundersame Wende aber gleich selbst wieder.
Der Rest des Spiels kann man getrost als
Showlaufen der Zuger, die alle Drittel für sich entscheiden konnten,
bezeichnen. Der einzige positive Punkt, den ich dem SCB attestieren möchte, ist
dass Captain Martin Plüss beim Interview nach dem Spiel so gar nicht den
Eindruck eines geprügelten Hundes hinterlassen wollte.
Trotzdem bin ich schwer enttäuscht. Elf
erhaltene Tore in zwei Halbfinalspielen sprechen Bände und müssen zu denken
geben. Halbfinalspiele sind gewöhnlich von hochstehender Taktik, tiefer Fehlerquote,
hoher Konzentration und viel Leidenschaft geprägt. Was ich aber bisher vom SCB gesehen
habe, war in jeder Hinsicht nicht mehr als Stückwerk.
Ich habe gehofft, man habe aus der Serie gegen
Genf etwas gelernt. Aber weit gefehlt, der SCB scheint sein Gesicht wieder
verloren zu haben. Man hat den Gegner wiederum aufgebaut und man muss jetzt
damit rechnen, dass der EVZ am Samstag mit dem Momentum im Rücken weit über
seinen Möglichkeiten spielen wird.
Bleibt die Hoffnung, dass mich der SCB am
Samstag als Sensationspanikmacher entlarvt! Ich erwarte Playoffintensität auf
Halbfinalniveau und einen verdienten Sieg! Erst dann wird man nämlich den
gestrigen desaströsen Auftritt ad acta legen und sich mit neuer Zuversicht den
weiteren Spielen zuwenden können.
Andernfalls dürfte das Alternativprogramm für
nimmer satte Frühlingshockeybesessene drohen: Die sich anzeichnende Ligaqualifikation
zwischen Langnau und Lausanne. J
Los jetzt, aber Vollgas!
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