Duc's Blog

Eishockey ist in vielerlei Hinsicht eine attraktive Sportart. Nicht nur das Geschehen auf dem Eis, sondern auch das Umfeld, die Berichterstattung der Medien, die Fans, die Stimmung in den Stadien und die Problematik der Sicherheit rund um die Spiele sorgen für jede Menge Gesprächsstoff.

Ich schreibe in meinem Blog vorwiegend über den Schlittschuh Club Bern.

Daneben greife ich gerne auch Themen wie Verbandspolitik und das Schiedsrichter- und Verbandsgerichtswesen auf. Ebenfalls am Herzen liegen mir gesellschaftspolitische Aspekte, welche sich bei der Sicherheitsproblematik in und um die Stadien in zuweilen wenig erfreulicher Art und Weise manifestieren.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Kevin Lötscher- Eine himmeltraurige Tragödie

Was man sich aufgrund der Mediengerüchte zusammenreimen konnte, scheint gemäss den Aussagen von F.M. (21) im Blick Tatsache zu sein. In der Schreckensnacht von Siders ereignete sich eine gruppendynamische Jugendtragödie

«Es war Freitagabend. Kevin, drei Kumpels und ich waren zusammen mit Cloé in einer Weinstube in Salgesch. Ich kenne Kevin von früher und wir beschlossen, einen draufzumachen. Auch Kevin und Cloé kannte sich bereits. Es war sozusagen ein Treffen unter alten Bekannten. Danach feierten wir in der Mellow Bar weiter. Es war feuchtfröhlich und wir hatten Spass», erzählt der 21-Jährige.

«Als die Bar schloss, machten wir uns auf den Weg zu Cloé nach Hause, um dort den Ausgang ausklingen zu lassen. Wir waren betrunken und die Stimmung war ausgelassen. Wenige Hundert Meter vor ihrem Haus hielt Cloé plötzlich an, um uns die Hausregeln zu erklären: Wir sollten leise sein und nicht durch die Wohnung stampfen. Doch das war ihr noch nicht genug. Wir waren wohl ein bisschen laut. Damit wir nicht die gesamte Strasse wecken, wollte sie den BMW X6 ihres Vaters holen, um uns damit zu sich zu fahren.»

Die Schülerin läuft vor, kommt wenig später tatsächlich mit dem rund 100 000 Franken teuren Luxusauto zurück. Was dann geschieht, schildert F. M. stockend, offenbar immer noch schockiert: «Wir stiegen in den Wagen. Ein Kumpel setzte sich auf den Beifahrersitz. Kevin, ich und die zwei anderen auf die Rückbank. Doch als Cloé losfuhr, geriet ich in Panik. Sie fuhr wie eine Verrückte – viel zu schnell. Ich wusste – das kann nicht gut gehen. Ich schrie, sie solle sofort anhalten, meine Jacke sei in der Tür eingeklemmt.»

Die Sache mit der Jacke, ein Trick in allerhöchster Not. F. M. weiter: «Als Cloé stoppte, stiess ich die Tür auf und wollte meine Kumpels aus dem BMW ziehen. Sie sprangen heraus. Nur der Beifahrer schaffte es nicht rechtzeitig aus dem Auto. Denn Cloé wurde stinksauer und brauste einmal um den Kreisel – mit hohem Tempo.

Der Wagen kam dann auf mich zu und streifte mich. Ich fiel auf den Rücken, kam aber zum Glück mit Prellungen davon. Kevin traf es wirklich schlimm. Mit voller Wucht knallte das riesige Auto in ihn rein. Er wurde extrem weit weggeschleudert. Ich rannte sofort zu ihm hin. Der Anblick war grauenvoll.

Ich merkte sofort, dass Kevin in Lebensgefahr war. Er blutete am ganzen Kopf, war übel zugerichtet und regte sich nicht mehr. Ich versuchte, ihn in eine stabile Seitenlage zu bringen. Ein Kumpel alarmierte die Ambulanz. Die Sanitäter erklärten mir am Telefon, was ich zu tun hätte: Ich musste seinen Mund öffnen und die Zunge rausziehen, damit Kevin nicht an seinem Blut erstickt. Da das Spital sehr nahe ist, war die Ambulanz zum Glück schnell da.»

«Wir alle waren unter Schock – wurden ins Spital gebracht. Besonders schlimm war es natürlich für Cloé. Sie tat es ja nicht mit Absicht. Ich hatte und habe immer noch grosse Angst um Kevin. Wir wussten nicht, ob er überleben würde. Seine Familie tut mir unendlich leid. Er war so erfolgreich – und jetzt das. Es ist eine himmeltraurige Tragödie, anders kann ich es gar nicht sagen.»

Eine himmeltraurige Tragödie… gut ausgedrückt.

Es handelt sich demnach also nicht um einen «gewöhnlichen» Unfall unter Alkoholeinfluss, sondern um den grenzenlosen Blödsinn einer Gruppe Jugendlicher. Eine Situation, wie sie sich Wochenende für Wochenende irgendwo ereignet. Meist geht es gut aus, wenn nicht, führt es zu diesen vermeidbaren Tragödien.

Warum nur hat keiner die in solchen Situationen zwar unpopuläre, aber gescheite und nötige Notbremse gezogen? Warum hat niemand in der Gruppe die Verantwortung übernommen und die junge Frau, sie muss mit 1.5 Promille ja sturzbetrunken gewesen sein, an der Führung eines Motorfahrzeugs gehindert?

Was bleibt ist ist die Tragödie und die Frage nach dem Warum.

Der Blödsinn ist geschehen und lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Moralisch wird sich die Gruppe die Schuld teilen müssen. Die rechtliche und finanzielle Verantwortung wird die junge Cloé zu tragen haben. Sie wird zusammen mit dem schwerverletzten Kevin die Hauptlast dieses jugendlichen Blödsinns tragen müssen.

Es geht um soziale Kontrolle und Verantwortung. Es geht darum, dass man als Gruppe zu seinen Kollegen zu schauen hat. Man trägt Verantwortung füreinander! Es geht darum, dass jemand die Verantwortung hätte übernehmen müssen um seine Freunde und sich selbst vor einem verhängnisvollen Blödsinn zu bewahren.

Auch Opfer Kevin Lötscher, immerhin 23 jährig hätte das Unglück vermeiden können, ja müssen.

Es ist müssig, bei diesem kollektiven gruppendynamischen Versagen einen Schuldigen zu benennen. Jeder und jede wird seinen Teil zu tragen haben. Bleibt die Hoffnung, dass keiner der jungen Leute lebenslänglich wird tragen müssen, am Ausgang dieses «lustigen Abends.»

Schaut zueinander, wenn ihr euch in einer Gruppe vergnügt. Jugendliche sollen saufen und festen und gelegentlich auch über die Stränge hauen. Aber lustige Abende sind erst vorbei, wenn alle sicher und gesund Zuhause sind.

Tragt Verantwortung für euch und eure Kollegen. Greift ein, wenn sich einzelne nicht mehr unter Kontrolle haben und Gefahr laufen, einen verhängnisvollen Fehler zu machen. Nicht nur im Zusammenhang mit Fahrzeugen. Sondern auch bei aufkeimender Aggression und Gewalt gegen Menschen und Sachen.

Sturzbetrunken in ein Auto zu steigen ist ein verhängnisvoller Fehler. Ein Fehler, der in einer guten, funktionierenden Gruppe einfach zu vermeiden gewesen wäre.

Ich wünsche den jungen Leuten, dass die Angelegenheit letztendlich einigermassen gut ausgeht und niemand das Leben lang wird büssen müssen, wegen dieser «himmeltraurigen, vermeidbaren Tragödie.»



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