Duc's Blog

Eishockey ist in vielerlei Hinsicht eine attraktive Sportart. Nicht nur das Geschehen auf dem Eis, sondern auch das Umfeld, die Berichterstattung der Medien, die Fans, die Stimmung in den Stadien und die Problematik der Sicherheit rund um die Spiele sorgen für jede Menge Gesprächsstoff.

Ich schreibe in meinem Blog vorwiegend über den Schlittschuh Club Bern.

Daneben greife ich gerne auch Themen wie Verbandspolitik und das Schiedsrichter- und Verbandsgerichtswesen auf. Ebenfalls am Herzen liegen mir gesellschaftspolitische Aspekte, welche sich bei der Sicherheitsproblematik in und um die Stadien in zuweilen wenig erfreulicher Art und Weise manifestieren.

Mittwoch, 31. August 2011

Von Ultras, Kutten und Normalos

Wer sich als «gewöhnlicher Fan» mit der Ultra-Bewegung auseinandersetzt, muss sich mit vielen Vorwürfen auseinandersetzen: Er habe nicht den nötigen Einblick in Sitten und Gebräuche der Szene, er wolle den Ultras die Daseinsberechtigung absprechen oder seiner Argumentation fehle es schlicht und einfach an Tiefe und Verstand

Die aktuellen Mediendiskussionen im Vorfeld des morgigen runden Tisches machen es aber gerade für unorganisierte «gewöhnliche Fans» nötig, sich etwas mit der Materie zu befassen. Viele Fans fühlen sich nämlich, so scheint es mir wenigstens, schon nur durch das blosse Auftreten von Ultras konsterniert. Nicht zuletzt bedingt durch Bilder, die von Fernsehen und Zeitung von “gewaltbereiten Fans“ verbreitet werden, werden unweigerlich, ob berechtigt oder nicht berechtigt, bestimmte Vorurteile beim Betrachter dieser Gruppe wach.

Der Aspekt, dass es sich bei den Ultras um eine Gruppe innerhalb der heterogenen Gruppe der Fans handelt, die optisch mehr Ähnlichkeiten mit den Ultra-Gruppierungen anderer Teams besitzt, als mit den «Kutten oder Liibli-Fans der eigenen Mannschaft, darf in seiner Wirkung nicht unterschätzt werden. Man kann sich fragen, ob sich das optische Auftreten mancher Ultras nicht eher an der aktuellen Mode, als an einer Huldigung der Mannschaft in den Farben des Vereins oder der Stadt orientiert. Wer nicht mit der Mode mitzieht, sich gewissermassen uniformiert, gerät in Gefahr, ausgegrenzt zu werden.

Grundsätzlich sollte man die Dinge aber nicht gegeneinander ausspielen und die eine oder andere Seite aufgrund der herrschenden Klischees verdammen. Die Ultras sollten sich aber fragen, ob sie nicht schon so herumlaufen, dass sie mit anderen Buttons an der Brusttasche genauso gut ein Ultra des Erzrivalen dieses Outfit verwenden könnte. Auch das Verständnis für althergebrachte Fans, die ihr Fan-Tun mit Trikot und Vereinsschal ausleben, muss vorhanden sein.

Die «Kutten» sollten sich allerdings ebenso fragen, ob sie nicht selbst manchmal den Umgang mit Leuten meiden, die anders als sie gekleidet sind. Ob Kutten, Ultras oder Zivile, alle sind letztendlich Fans. Wer über etwas Sozialkompetenz verfügt und mit gesundem Menschenverstand urteilt, wird mir beipflichten, dass es in jeder Gruppierung, unabhängig von Alter, Herkunft und Ideologie «Arschlöcher» und «geili Sieche» gibt.

In der Regel sind Ultras gut integrierte junge Schweizer zwischen 15 und 30 aus allen Bildungsschichten. An der Frage, ob Gewalt ein legitimes Mittel zur Auseinandersetzung mit gegnerischen Fans, den Sicherheitskräften in den Stadien und der Polizei als Hüter der öffentlichen Sicherheit auf der Strasse ist, scheiden sich allerdings die Geister.

Man sich bemängelt die Berichterstattung der Medien, kritisiert die Kriminalisierung aller Fans, liefert aber den Medien, der Politik und der Polizei ständig neue Gründe, Sportfans unter einen permanenten Tatverdacht zu stellen. So gut die Argumente von Ideen wie „Pyrotechnik legalisieren“ auch sein mögen und so differenziert ihre Vertreter auftreten und beteuern, dass die Sicherheit durch einen sachgerechten Umgang mit Feuerwerkskörpern gewährleistet sei: Wer glaubt das schon, wenn dieselben Gruppen, die sich in der Kampagne engagieren, am Wochenende selbst die gewalttätige Auseinandersetzung mit dem Gegner und der Polizei suchen und sich einen Deut um die allgemeinen und für alle gültigen Regeln des Zusammenlebens scheren?

Letztlich leidet nicht nur das Image und die Glaubwürdigkeit der Fans, sondern vor allem die Akzeptanz unter vielen Normalos, die sich eben nicht als Ultras sehen. Dabei geht viel schöpferisches Potenzial und damit letztendlich die vielbeschworene Stimmung in den Stadien verloren.

Mir scheint es manchmal so, als sei das Ganze auf bestem Wege, sich zu einer «Egoparty» einiger Weniger zu entwickeln. Ich würde meinen, genau das Gegenteil von dem, was die Ultrabewegung eigentlich möchte.

Gegen bunte spektakuläre Choreographien, überdimensionalen Fahnen und Spruchbänder und lautstarke Gesänge und Anfeuerungsrufe, meinetwegen angeführt von einem mit Megaphon ausgestatteten Vorsänger, kann grundsätzlich niemand etwas haben. Mit den Ultras entstand nicht nur eine neue Generation von Fans, sondern auch eine neue Jugendkultur. In der öffentlichen Wahrnehmung werden Ultras aber fast immer mit den gewaltbereiten Hooligans gleichgesetzt. Eine solche Pauschalisierung wird der Vielschichtigkeit der Ultras zwar nicht gerecht, ist aber aufgrund der horrenden Kosten für die öffentliche Hand nachvollziehbar.

Dem Steuerzahler ist es nämlich egal, ob die Randale aus der Ideologie der Ultras, Hooligans, Kutten, Neutralos, Mitläufer, Linken, Rechten, Rosaroten oder was auch immer entspringt. Letztendlich geht es um Sportanlässe und deren Besucher, nicht um Begriffsfetischismus. Es geht um Abstriche bei den Schulen und bei sozialen Institutionen, währendem die Kosten für öffentliche Sicherheit und der Beseitigung von Vandalenschäden stetig steigen. Was interessiert den gemeinen Bürger und Steuerzahler die Unterscheidung zwischen Ultras und Hooligans?

Dass durch die vorgegebenen Gesänge des «Capos» die Spontanität, also der Bezug zum aktuellen Spielgeschehen, verloren geht, wird oft, gerade auch bei den Fans des SCB kritisiert. Gewöhnlich neigen die Ultras eher zu Gesängen, als zu kurzen Schlachtrufen. Das führe nicht zum gewollten „Pushing“ der eigenen Mannschaft, wird moniert. Ultras stehen auch in der Kritik, wegen verbaler und körperlicher Angriffe, oder der Einschüchterung von Nicht-Ultras.

Die Ultras nehmen immer mehr eine dominante Rolle in den Kurven ein, wohl weil es keine weiteren organisierten Gruppierungen gibt, die ihnen ihren Status streitig machen könnten. Das daraus resultierende Missverständnis, die Ultras hätten einen Alleinvertretungsanspruch der Kurve und Befehlsgewalt über den Fanblock, führt immer wieder zu Konflikten. Auslöser dafür sind oft schon nur Rufe von Fans, die verlangen, dass die Fahnen während dem laufenden Spiel am Boden gehalten werden sollen, da diese die Sicht auf das Spielfeld versperren.

Die Ultras werden in den Medien oft für das Abbrennen von Pyrotechnik kritisiert. Die verwendeten Fackeln fallen unter das Sprengstoffgesetz und sind daher gesetzlich verboten. Von Seiten der Szenen wird argumentiert, Pyrotechnik sei bei ordnungsgemässer Anwendung nicht gefährlich, was grundsätzlich nicht ganz unrichtig ist. Nur ist es eben auch so, dass eine Gruppe Jugendlicher, die öfters alkoholisiert oder sonst wie «gedopt» sind, wohl kaum Gewähr bieten, für den ordnungsgemässen Umgang mit dem Sprengstoffgesetz unterliegenden Substanzen. Im Gegenteil: Die brandgefährlichen, bis zu 2000 Grad heissen Fackeln werden immer wieder als Wurfgeschoss gegen Sicherheitskräfte und Polizisten eingesetzt. Sogar Familiensektoren in Schweizer Fussballstadien waren schon Ziel von Fackelwürfen.

Sowenig Michael Schumacher aufgrund seiner sieben Weltmeistertitel als Formel 1 Pilot für sich in Anspruch nehmen kann, sich nicht an die Geschwindigkeitsvorschriften halten zu müssen, sowenig kann die Ultraszene verlangen, dass sie, als absolute Laien im Umgang mit Sprengmitteln wohlgemerkt, solche Fackeln in geschlossenen Stadien und mitten in Menschenmassen ungestraft zünden dürfen. Dem Grossätti verbietet man den Stumpen und gleichzeitig zeuseln die Rotznasen mit unter das Sprengstoffgesetz fallenden Substanzen. Eine absurde Vorstellung.

Im Widerspruch dazu steht freilich, dass Bilder aus Fankurven, auf denen bengalische Feuer zu sehen sind, von den Medien als Synonym für Sportbegeisterung und zu Werbezwecken verwendet werden.

Die Ideologie der Ultras als solches scheint mir durchaus interessant zu sein. Gut möglich, dass ich mich in jüngeren Jahren ebenfalls dafür hätte begeistern können. Die Vertreter der Ultraszene müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass es gerade in ihren Reihen nicht wenige Mitläufer und Mischformen mit anderen «Ideologien» gibt, von denen man sich aktiv zu distanzieren hat, wenn man seine eigenen Interessen nicht in Gefahr bringen will.

Letztendlich gehören wir alle nämlich auch einer Gesellschaft an, deren Regeln von ALLEN zu respektieren sind. Nur das Einhalten dieser fundamentalen Grundregeln von ALLEN garantiert unseren, im Vergleich zum Ausland doch sehr liberalen Staat. Nur eine Gesellschaft die respektiert, dass die eigene Freiheit dort endet wo die des Gegenüber beginnt, ist in der Lage, ein grösstmögliches Mass an persönlicher Freiheit zu leben.

Leider scheint mir, dass wir Gefahr laufen, uns aufgrund von Egoismus und Ignoranz immer mehr von den Werten zu entfernen, die eine freiheitliche Gesellschaft erst möglich machen.

Zum Schluss bleibt festzustellen, dass wohl niemand den Königsweg kennt, um die Ultra-Bewegung den Kutten und Neutralos und umgekehrt näher zu bringen. Ich selbst schon gar nicht. Zumindest bleibt die Hoffnung, dass über offenere Diskussionen und eine selbstkritische Reflexion innerhalb der verschiedenen Szenen Akzeptanz geschaffen werden kann. Auf beiden Seiten.

Morgen findet übrigens ein weiterer «runder Tisch» statt. Es könnte der letzte sein, in dieser Form, hat die Kantonale Justizdirektorenkonferenz KKJPD doch die Frage auf die Traktandenliste setzen lassen, ob beziehungsweise in welcher Form der Runde Tisch weitergeführt werden soll. «Wir haben den Eindruck, dass das Gremium neu aufgestellt werden muss», betont Hans-Jürg Käser, Berner Sicherheitsdirektor und Vizepräsident der KKJPD. «Wir wollen den Runden Tisch so umbauen, dass er lösungsorientiert arbeiten kann».

Bisher war es ja so, dass die herrschenden Probleme bei diesen runden Tischen im Stile des  Clubs vom 30. August 2011  zwar durchaus anregend und interessant diskutiert wurden, aber wenn es um konkrete Massnahmen geht, jegliche Einigkeit fehlt. Gerade die Verbände wehren sich gegen jegliche Vorschläge, welche geeignet wären, gewisse Unverbesserliche wirkungsvoll von den Stadien fernzuhalten.

Soziopsychologisches Kreispalaver im Schönfärbermodus, wäre demnach die richtige Bezeichnung für diese an sich sinnvollen Gesprächsrunden.

Die Kantone haben nun zusammen mit weiteren Vertretern der öffentlichen Hand das Heft selbst in die Hand genommen, indem die kantonalen Justizdirektoren beschlossen, das interkantonale Konkordat zu Gewalt im Sport so anzupassen, dass eine Bewilligungspflicht für Fussball- und Eishockeyspiele und insbesondere das Kombiticket eingeführt werden kann. Der Runde Tisch wird darüber morgen nur noch informiert. Die Änderungen des Konkordats, einer Vereinbarung zwischen den Kantonen, sollen laut Käser bereits im ersten Halbjahr 2012 in die kantonalen Parlamente kommen. Danach wären auch Referenden mit anschliessender Volksabstimmung möglich.

Dabei geht es nicht um Ultras, Hooligans, Kutten oder Normalos. Es geht ganz einfach darum, den Sicherheitsaufwand für die öffentliche Hand im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen wieder auf ein akzeptables Mass zu bringen.

Wie weit diese Massnahmen mittelfristig gehen werden, haben die Ultras, Hooligans, Kutten, Normalos, Verbände und Clubs letztendlich selber in den Händen.

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